Otto Rubensohn (1867–1964)

von Johannes Ostermeier

Gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts bemühte man sich in großen Teilen Europas um den Erwerb von griechischen Papyri. Auch die Königlichen Museen zu Berlin waren zu dieser Zeit bestrebt, griechische literarische Papyri ausfindig zu machen und als kulturelle Güter nach Deutschland zu bringen, was zur Einrichtung der Berliner Papyruskommission sowie der Entstehung des Preußischen Papyrusunternehmens führte. Nachdem es aber mehrere Interessenten an griechischen Papyri gab, schlossen sich die verschiedenen Standorte Leipzig, Gießen, Würzburg und Straßburg mit Berlin zum sogenannten Papyruskartell zusammen. Verantwortlich für dieses Vorhaben war ab dem 1. Oktober 1901 der im Jahre 1867 geborene Klassische Philologe und Archäologie Otto Rubensohn, der die Leitung bis zum 31. März 1907 innehatte. In dieser Funktion unternahm er Kampagnen an unterschiedlichen Orten:

Nach ersten Grabungen in Fayum 1901/02 führte die Suche nach Papyri Rubensohn über weitere Grabungen in Abusir el-Meleq schließlich auch nach el-Aschmunein (Hermopolis Magna), wo er von 1903 bis 1906 jährlich ca. ein bis eineinhalb Monate verbrachte. Hier gelangen ihm trotz der Konkurrenz zur zeitgleich aktiven italienischen Mission unter der Leitung von Evaristo Breccia zahlreiche Funde: Neben rund 2.500 nicht-papyrologischen Objekten und koptischen, hebräischen sowie aramäischen Papyri vor allem griechische Papyri mit literarischem, aber auch dokumentarischem Inhalt. Außerdem fällt in diese Zeitspanne die Entdeckung eines Großteils des ca. 75 Texte umfassenden Familienarchivs des Taurinos (5./6. Jh. n. Chr.).

Die zwei letzten Kampagnen führten Rubensohn 1906/07 auf die Insel Elephantine, die durch Funde und Ankäufe vornehmlich aramäischer Papyri aus den Jahren zuvor das Interesse verschiedener Institutionen auf sich zog. Rubensohn konnte unter anderem das Privatarchiv der jüdischen Frau Mibtahiah (5. Jh. v. Chr.), welches eine wichtige Quelle für frühe jüdische Kultur außerhalb der Bibel darstellt, um einen Papyrusfund erweitern. Die Nachwelt ist insbesondere durch den Umstand, dass Otto Rubensohns Nachlass dem Jüdischen Museum Berlin 2006 übergeben wurde, über seine Grabungen informiert.

Literatur:

  • J. Kuckertz, Otto Rubensohn (1867–1964), in: M. Capasso (Hrsg.): Hermae. Scholars and Scholarship in Papyrology III, Biblioteca degli „Studi di Egittologia e di Papirologia 10 (Pisa 2013) 41–56
  • J. Kuckertz, Auf der Jagd nach Papyri. Otto Rubensohn in Ägypten, in: A. Pomerance – B. Schmitz (Hrsg.): Heiligtümer, Papyri und geflügelte Göttinnen. Der Archäologe Otto Rubensohn, Hildesheimer Ägyptologische Beiträge 53 (Hildesheim 2015) 39–57
  • J. Kuckertz, Otto Rubensohn (1867–1964). Der Auftrag: Griechisch-Literarische Papyri aus Ägypten, in: J. H. Schoeps – T. L. Gertzen (Hrsg.): Grenzgänger. Jüdische Wissenschaftler, Träumer und Abenteurer zwischen Orient und Okzident (Berlin 2020) 35–71
  • H. Maehler, Einleitung, in: H. Maehler (Hrsg.): Papyri aus Hermopolis, Ägyptische Urkunden aus den Staatlichen Museen zu Berlin, Griechische Urkunden 12 (Berlin 1974) XIV–XXVII
  • G. Poethke, Einleitung, in: G. Poethke (Hrsg.): Griechische Urkunden spätrömischer und byzantinischer Zeit aus Hermopolis Magna, Ägyptische Urkunden aus den Staatlichen Museen zu Berlin, Griechische Urkunden 17 (München 2001) XXXI–XXXVIII
  • O. Primavesi, Zur Geschichte des deutschen Papyruskartells, ZPE 114, 1996, 173–187
  • O. Rubensohn, Griechisch-römische Funde in Ägypten, AA 1902, 46–49
  • O. Rubensohn, Griechisch-römische Funde in Ägypten, AA 1903, 78–81
  • O. Rubensohn, Griechisch-römische Funde in Ägypten, AA 1904, 107–110
  • O. Rubensohn, Griechisch-römische Funde in Ägypten, AA 1905, 65–70
  • O. Rubensohn, Aegypten, AA 1906, 124–143